»Der Löffel in seiner rechten Hand
rührte langsam, aber mit stetem Tempo auf dem Grund der Tasse. Sein Blick
verweilte mit archaischer Ruhe auf dem Schaum des Milchkaffes, der gehorsam dem
Rotieren des kleinen Löffels folgte. Leon saß an einem kleinen Tisch, direkt am
Fenster im ersten Stock des Cafés »Kloster Torvet» inmitten von Aalborg. Die
viereckigen, kleinen, mit gläsernen Stellflächen abgedeckten Tische um ihn
herum waren bevölkert von jungen Menschen, die sich über ihr Studium
unterhielten, den neuesten Klatsch verbreiteten und sich einfach nur des Lebens
freuten. Das zumindest vermutete Leon, denn er verstand so gut wie kein Wort
von dem, was an den Tischen gesprochen wurde. Leon interpretierte nur, denn er
sah ringsherum in lächelnde Gesichter. Er liebte dieses Land und diese Sprache
ohne Dänisch zu verstehen. Bis auf vier, fünf Sätze konnte er diese Sprache,
die für ihn so faszinierend klang, nicht sprechen. Und immer wieder dann, wenn
er dieses Land im Norden besuchte, erinnerte er sich an den ersten und bislang
einzigen zusammengehörigen Satz, den er gelernt hatte. Ein Satz, der die
Wichtigkeit des gesamten Lebens ausdrückte: »Jeg elsker dig«, »ich liebe Dich«.
Was mehr als dieser herrlicher Satz war noch notwendig, um das Wichtigste auszudrücken,
das es im Leben gibt? Was mehr als dieser Ausdruck des Weltumspannenden, in
allen Sprachen Wiederkehrenden? Brauchte es mehr, als diese eindeutige,
unverwechselbare Bekundung einer Zuneigung gegenüber einer anderen oder einem
anderen? Leon lehnte sich in seinen Stuhl zurück, schloss für Sekunden die
Augen und sprach ganz leise vor sich hin: »Jeg elsker dig.« Er war indes nie in die Versuchung gelangt,
diesen Satz einer dänischen Frau gegenüber auszusprechen. Doch schon die
Gewissheit, es aussprechen zu können, wenn denn die Gelegenheit sich ergäbe,
stimmte ihn zufrieden. Leon öffnete seine Augen wieder und sah sich sofort
inmitten der Realität. Er beobachtete,
wie der stürmische Wind die gelb schillernden Blätter der Ahornbäume auf den
gepflasterten Boden des Vorplatzes schleuderte. Für einen Beobachter wie Leon
war das Treiben des Windes ein beeindruckendes Szenario.«
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